Die Welt der Commons

Muster des gemeinsamen Handelns

FINALE

In diesem Buch haben wir wiederkehrend einen Blick auf das Innenleben der Commons gerichtet. Commons als ein soziales Muster zu beschreiben – als »Commoning« – unterscheidet sich von jenen Denkansätzen, in denen es vorwiegend um (Gemein-)Güter und deren Verwaltung geht. Commoning ist eine Notwendigkeit, eine Haltung und eine Ethik, und es stiftet Zufriedenheit. Commoning verkörpert also eine Art zu sein, deren Keimzelle tief in uns Menschen angelegt ist. An uns liegt es, sie zur Entfaltung zu bringen. Wir können uns für Commons-Projekte entscheiden, können uns in Commoning üben und die damit einhergehenden Veränderungen in uns und um uns herum reflektieren. Je bewusster Commoning als Lebensform in der Welt ist, umso besser. Commons sind dynamisch, ständig in Entwicklung begriffen und spiegeln daher das menschliche (Zusammen-)Leben realistischer wieder. Commoning verweist darauf, dass unterschiedlichen Identitäten, Kulturen und Wurzeln in Governance, Wirtschaft, Recht und Kultur Rechnung getragen werden muss. Der in diesem Buch eingenommene Standpunkt eröffnet einen Blickwinkel, der uns hilft zu verstehen, in welcher Weise wir die Welt formen und wie die von uns geformte Welt zurückwirkt und uns wiederum formt. Deshalb müssen wir uns ganzheitlich mit den Folgen unseres Handelns auseinandersetzen und dafür sorgen, dass die Selbste zu denen wir werden, auch jene sind, die wir wirklich sein wollen. Und wir müssen darauf achten, unsere Welten so zu erschaffen, dass wir in ihnen leben wollen.

Commons sind lebendig, weil sie offen sind. Und weil sie in Feedback-Prozessen, die off- oder online stattfinden, immer wieder justiert werden. Sie können dadurch Versuchen widerstehen, sie zu rigiden, schematischen, streng kontrollierbaren Systemen zu machen. Commons sind auch lebendig, weil sie Menschen Raum bieten, ihre eigenen Vorstellungen und Energien einzubringen, wenn es darum geht, Probleme zu lösen oder innovativ zu sein – Einfallsreichtum und Kooperation führen oft zu überraschenden Ergebnissen.

Commons stärken unsere Unabhängigkeit und erweitern unsere Spielräume, um Lebensräume so zu gestalten, dass sie sich dem Diktat des Marktes oder bürokratischer Zurichtung zu entziehen vermögen. Und sie halten uns nicht in Rollen fest, die zu leben wir trainiert sind. Wir sind in Commons-Welten nicht begrenzt darauf, Kunde oder Verkäuferin, Verbraucherin oder Angestellter, Expertin oder Bedürftiger zu sein. Es versteht sich von selbst, dass Wirtschaft und Politik neu gedacht werden muss, damit Commons wirklich respektiert werden. In der Transformation beider Sphären geht es darum, jene sozialen Prozesse voranzubringen, die zum gemeinsamen Tun einladen und dieses so einfach machen, wie uns heute – Geldbesitz vorausgesetzt (!) – der Einkauf im Supermarkt erscheint. Sie müssen ein Gefühl für das gemeinsam Leistbare stärken, statt auf hierarchische Organisation zu setzen oder in einer Kapitallogik gefangen zu bleiben, die zum Imperativ geraten ist. Wirtschaft und Politik, die Commons wirklich respektieren, werden sich daran beweisen, ob tatsächlich die Bedürfnisse aller statt die endlos steigerbaren Bedarfe einiger im Mittelpunkt stehen.

Commons und Commoning mehr Raum zu geben, sie zu vervielfältigen, sie auf allen Ebenen zu denken und zur Selbstverständlichkeit zu machen; sie so miteinander zu koordinieren und zu verbinden, dass sie tatsächlich eine machtvolle Alternative zur Marktlogik werden, bringt ganz neue Herausforderungen mit sich. Es bedarf neuer Ausrichtungen und Institutionen staatlichen Handelns sowie klarer Grenzen für die Macht des Marktes. Vielversprechende Vorschläge, Politik, Recht und Verwaltung aus Commons-Perspektive zu denken, liegen bereits auf dem Tisch. Sie werden Schwerpunkt unseres nächsten Buches sein.

Silke Helfrich und David Bollier