Die Welt der Commons

Muster des gemeinsamen Handelns

Neues vom Bewährten

Warum Commons-Lizenzen erfolgreich sind

David Bollier

Die Wenigsten wissen, dass das Gesetz praktisch jedes Ergebnis kreativen Schaffens bereits im Moment seines Entstehens als Privateigentum betrachtet. Egal, ob Du rasch ein Doodle aufsetzt oder ein paar Akkorde von der Gitarre aufnimmst. Das Copyright1 behandelt das entstandene »Werk« wie Privateigentum, über das du bis zum Lebensende und noch 70 Jahre darüber hinaus exklusiv verfügen kannst; je nach Land sind es ein paar Jahre mehr oder weniger.

Dieses Recht auf alleinige Verfügung sei notwendig, um für Autorinnen und Autoren Anreize zu bieten, Neues zu schaffen – egal ob Software, Musikaufnahmen, Bücher oder Fotografien. Die Grundannahme ist, dass es ohne den Schutz des Copyrights keine künstlerischen Werke gäbe, und jedes kreative Werk auf dem Markt ge- und verkauft werden müsse.

Was aber, wenn beispielsweise eine Schöpferin möchte, dass ihr Werk frei kopiert, geteilt und weiterverwendet werden kann? Im Copyright wie im Urheberrecht sind nicht-marktförmige Nutzungen, die von den Autoren erwünscht sind, nicht ausdrücklich vorgesehen. Dies wurde schlagartig offensichtlich, als das Internet in den 1990er-Jahren zum Massenmedium wurde und Menschen plötzlich dank digitaler Technologie gratis teilen konnten.

Die General Public License

Der legendäre Hacker Richard Stallman gehörte zu den Ersten, die sich für diese Beschränkungen des Copyright eine pfiffige Lösung ausgedacht haben. Stallman wollte, dass ihm andere Software-Programmierer helfen, die Programme zu verbessern, an denen er schrieb. Außerdem wollte er die programmierte Software weithin teilen und zugleich sicherstellen, dass niemand sich diese Programme individuell aneignen und ein Copyright oder Urheberrecht darauf beanspruchen könne.

Stallmans zukunftsweisende Lösung von 1989, die als General Public License (GPL) oder »Copyleft« bekannt wurde, war ein »legal hack«. Das heißt: Stallman nutzte das existierende Recht, drehte aber dessen Zweck um: Statt um den Schutz des Privateigentums ging es nun um den Schutz der Software-Allmende. Jedwede Software, die unter der (inzwischen in der dritten Version existierenden) GPL veröffentlicht wird, erlaubt es allen, das entsprechende Programm zu verwenden, zu kopieren, zu verändern und die veränderte Version wieder weiterzugeben, ohne davor um Erlaubnis fragen oder zahlen zu müssen. Die GPL bietet damit einen rechtlich durchsetzbaren Schutz für Werke (nicht nur Software), die von mehreren Kreativen oder Programmierern entwickelt werden und frei bleiben sollen.

Die einzige Einschränkung, die sie enthält, besagt – und das ist der Clou –, dass jedes veränderte Werk erneut mit GPL lizenziert werden muss. Unter GPL-Bedingungen gilt also das Recht zu kopieren, zu teilen, zu verändern und weiter zu verwenden automatisch auch für eine Weiterentwicklung, für die Weiterentwicklung einer Weiterentwicklung und so fort. Das war ein brillanter Schachzug. Er verkehrte die quasi automatische Privatisierung von Inhalten unter dem Copyright ins Gegenteil und erforderte nunmehr – quasi auch automatisch – dass immer geteilt wird, was einmal geteilt wurde.

Und je öfter ein Programm geteilt wird, umso größer wird das Commons für beide Seiten: Programmierer und Anwender! Ein Vierteljahrhundert ist vergangen. Die GPL war und ist enorm wichtig, denn sie sorgt(e) dafür, dass der Wert, der von Commoners geschaffen wird, auch als Commons erhalten bleibt. Menschen können zu Software-Programmen, wie dem berühmt gewordenen freien Betriebssystem GNU Linux beitragen und dabei darauf vertrauen, dass niemand es als alleiniges Eigentum beanspruchen kann.

Creative-Commons-Lizenzen

Der Erfolg der GPL in den 1990er und frühen 2000er Jahren inspirierte den Juraprofessor Lawrence Lessig sowie weitere Rechtswissenschaftlerinnen, Aktivisten, Technikfreaks und Künstlerinnen dazu, die Grundidee der GPL auch auf andere urheberrechtlich geschützte Inhalte zu übertragen. Einmal mehr war das Ziel, das legale Teilen von Inhalten zu unterstützen. Nur ging es dieses Mal um Texte, Musik, Fotografien, Videos und was sonst noch unter das Copyright respektive Urheberrecht fallen konnte. Im Jahr 2002 stellte dann eine neue Organisation, Creative Commons, sechs Standardlizenzen vor, um das Teilen dieser Dinge einfacher zu gestalten. Urheberinnen und Urheber haben seither die Möglichkeit, einen konkreten, von ihnen gewünschten Modus des Kopierens und Teilens zu erlauben. Eine Lizenz mit dem Zusatz »Namensnennung« (»attribution«, ausgedrückt durch das Kürzel »BY«) erlaubt das Kopieren, wenn der Name des Autors oder der Autorin genannt wird. Die Bestimmung »nicht kommerziell« (»non commercial«, Kürzel »NC«) berechtigt zur freien Verwendung, solange kein kommerzieller Zweck verfolgt wird. Ein Werk mit deer Bestimmung »share alike« (»Wiedergabe unter gleichen Bedingungen«, Kürzel »SA«) darf verändert werden, wenn das neue Werk wieder unter der gleichen Lizenz veröffentlicht wird. Jede Weiterentwicklung muss somit auch frei bleiben. Ähnlich wie bei der GPL! Hingegen berechtigt die Klausel »keine Bearbeitungen« (»non derivatives«, Kürzel »ND«), zur Verwendung, aber nicht zu Veränderungen des Werkes. Jede dieser Bestimmungen kann mit den jeweils anderen kombiniert werden, so dass leicht zu verwendende Lizenzen entstehen, zum Beispiel eine »attribution – non commercial« (BY-NC).

Abbildung 1: Zahl der als Creative Commons lizenzierten Werke

Abbildung 1: Zahl der als Creative Commons lizenzierten Werke

Mittels der CC-Lizenzen gelang es ausgesprochen gut, der Macht zum Durchbruch zu verhelfen, die entsteht, wenn Menschen Dinge kopieren, teilen und auf ihnen aufbauen dürfen. Tausende wissenschaftliche Open-Access-Zeitschriften2 nutzen sie, um ihre Inhalte frei zugänglich zu machen. Wikipedia ist mit einer CC-Lizenz groß geworden (und inzwischen auch standardmäßig mit einer GPL-Lizenz versehen), ebenso wie Plattformen, auf denen Remix-Musik oder Video-Mashups vorgestellt werden.3 Zahllose Webseiten und Blogs machen ihre Inhalte frei zugänglich, was wiederum Menschen ermutigt, sich einzubringen. Bis 2014 wurde das CC-Lizenzsystem an mehr als 70 Rechtssysteme in aller Welt angepasst. Als institutionelle Struktur waren diese Lizenzen, die auf dem Copyright aufbauen und die Macht offener Netzwerke nutzen, entscheidend, um langlebige Commons herzustellen.

Doch die Diskussion hat sich weiterentwickelt. Inzwischen geht es auch um die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass nicht alle zu gleichen Bedingungen aus dem freien Wissenspool schöpfen, denn es ist ein Unterschied, ob man das tut, um die Commons zu bereichern oder sich selbst.

Commons-basierte Reziprozitäts-Lizenzen

Michel Bauwens, Gründer der P2P Foundation, hat darauf aufmerksam gemacht, dass Akteure, die intern demokratisch organisiert und zudem bereit sind, Gewinne zu teilen, ihr eigenes Projekt unterminieren, wenn sie am Wettbewerb auf dem Markt zu gleichen Bedingungen teilnehmen wie andere, profitorientierte Unternehmen. Schließlich schafft der emergierende Bereich commons-orientierter Peer-Produktion (freie Software, offenes Design, Offene Hardware und vieles mehr) routiniert immer neue Wissenspools für alle, während viele Start-ups und große multinationale Unternehmen dieses Wissen nutzen können, um ihr Kapital zu akkumulieren, ohne dass es sie selbst etwas kostet. Im Versuch, diese Dynamik umzukehren und einen »Offenen Ko-operativismus« (»Open Co-Operativism«) zu entwickeln, versuchen Bauwens und andere derzeit, die commons-orientierte Peer-Produktion mit commons-basierten Eigentums- und Governance-Modellen, wie sie auch im Genossenschaftswesen oder der solidarischen Ökonomie genutzt werden, zu verknüpfen. Ein praktisches Instrument dafür sind sogenannte »commons-basierte Reziprozitäts-Lizenzen«. Eine davon, die Peer Production License (PPL)4, würde Commoners, Genossenschaften und den Non-Profit Sektor in die Lage versetzen, ohne Zahlung von Lizenzgebühren Wissen und Material zu teilen, zu nutzen und weiterzuentwickeln, wohingegen gewinnorientierte Unternehmen Nutzungsgebühren zu zahlen hätten. Das würde zu einem Mitteltransfer vom Kapital zu den Commons führen, ohne die Kultur der Commons zu unterlaufen.

David Bollier ist ein amerikanischer Commons-Experte und -Aktivist, Blogger und Berater; Autor zahlreicher Beiträge und Bücher zum Thema »Commons als neuem Paradigma für Wirtschaft, Politik und Kultur«; Mitbegründer der Commons Strategies Group.

1 | Es gibt neben dem angloamerikanischen Copyright die Rechtstradition des kontinentaleuropäischen Urheberrechts. Beide werden oft miteinander vermengt, unterscheiden sich jedoch fundamental. Das Urheberrecht schützt – wie der Name schon sagt – den Urheber oder die Urheberin selbst. Die Grundidee ist: Ein Werk als kreativer Ausdruck des Urhebenden ist untrennbar mit seiner Person verbunden. Daher kann der Urheber seine Rechte an diesem Werk auch nie völlig abgeben, sondern nur anderen die Lizenz erteilen, dieses Werk auf eine bestimmte Art zu nutzen. Das Copyright ist fast 100 Jahre älter, es ist eigentlich ein »Verwerterrecht«: Die Grundidee hier: öffentliche Bildung und Wissenszirkulation befördern, indem die Verwerter – Drucker, Produzenten oder Verlage – ein zeitlich begrenztes exklusives Vervielfältigungsrecht erhalten. Dieser Unterschied ist zwar fundamental, aber für den in diesem Artikel dargelegten Gedanken nicht relevant. Daher werden Copyright und Urheberrecht hier nebeneinander angeführt (Anm. der Hg.).

2 | Das Directory of Open Access Journals (www.doaj.org) zählt zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags 9.994 Zeitschriften mit 1.728.759 Artikeln aus 134 Ländern auf. Vergleiche auch den Beitrag von Cameron Neylon zu PLOS in diesem Buch.

3 | Die Begriffe »Remix« und »Mash-up« stammen ursprünglich aus der Musik. Bei einem Remix wird ein Lied oder Musikstück zunächst technisch bearbeitet und dann, wie der Name sagt, neu abgemischt. Bei Mash-ups werden zwei oder mehr Titel miteinander »vermanscht«, etwa ein Rhythmus-Background der Beatles mit einer Rap-Gesangsspur.

4 | Siehe: http://p2pfoundation.net/Peer_Production_License (Zugriff am 28. Februar 2015).